Der große Tag

Tag 1

Unser Abenteuer begann bereits am Freitag. Am Morgen noch eine kurze wettkampfspezifische Radeinheit von 30 min absolviert, holten Caro und ich um 8 Uhr in Heppenheim unser Wohnmobil ab. Nach einer kurzen Einweisung war es dann soweit, die erste Fahrt mit einem Wohnmobil zu unserem großen Wettkampf, dem 24h Rad am Ring, stand bevor. Das Wohnmobil mit unserem Gepäck, den Rädern, der nötigen Verpflegung, Zelten, Feldbetten unserer Supporter etc. vollgeladen ging es pünktlich um 12:30 Uhr auch los.
Am Nürburgring angekommen mussten wir in einer langen Schlange 45 min bis zur Einfahrt und der Zufahrt zu unserer zugewiesenen Parzelle warten. Etwas nervig, aber okay, das gehört halt dazu. Überall waren die Teilnehmer schon mit dem Aufbau ihrer Zelte, Pavillons und Lager in vollem Gange. Der oder die Teilnehmer, die sich mit uns eine Parzelle teilen sollten, kamen glücklicherweise nicht, wodurch wir mehr Platz zur Verfügung hatten.
Nachdem nun auch der Rest unserer 7-köpfigen Support- Crew angekommen war, legten auch wir los mit dem Aufbau unseres Lagers.
Dass das ganze Event etwas Besonderes ist, merkten wir recht bald, denn jeder packte bei seinen Parzellen-Nachbarn mit an. Das war bei dem starken Wind auch nötig. Mit unserenNachbarn hatten wir von Anfang an ein sehr gutes Verhältnis, was sich im Laufe des Rennens noch mehr bemerkbar machte. Hilfsbereitschaft und ein netter Austausch mit den anderen Teilnehmern sowie die gegenseitige Unterstützung machten das ganze Event schon jetzt zu etwas Besonderem. Da wir Triathleten sonst nur Einzelwettkämpfe gewohnt sind, ist so ein Event eine ganz neue Erfahrung.

Als alles ausgepackt und aufgebaut war machten wir uns auf den Weg, die Startunterlagen und den Transponder zu holen. Der war in einer Trinkflasche verbaut, welche wir beim Wechsel immer übergeben mussten. Zurück im Camp trafen Caro und ich noch letzte Vorbereitungen an unseren Rädern und unserem Equipment.

Um 20 Uhr startete das Einzelzeitfahren auf der Nordschleife, hier holten wir uns noch die nötige Motivation, bevor wir dann um 23.30 Uhr ins Wohnmobil schlafen gingen. Die laute Musik ein paar Parzellen weiter lief bis tief in die Nacht und lies uns immer wieder aufwachen. Hier bemerkten wir, dass dieses Event auch ein bisschen Festival-Charakter hat. Irgendwann fanden wir dann alle unseren Schlaf.

Tag 2 und 3

Am Morgen war es nicht die Musik die uns bereits um 6 Uhr weckte, sondern der starke Wind, der unser Wohnmobil und auch die Pavillons zum Wackeln brachte. Nachdem alle nach und nach wach waren bereitete das Team Frühstück für alle vor. Währenddessen befestigten Caro und ich unsere Startnummern an Rad und Helm, pumpten die Reifen noch einmal auf und richteten im Wohnmobil bereits alle Sachen, auch für die Nacht. In unserem „Schlafzimmer“ hatten wir zwei Betten, eines davon wurde nur für unsere Rad-Trikots, -Hosen, Socken, Lampen, … benutzt, das andere war zum Ausruhen oder Schlafen vorgesehen. So sparten wir uns lästiges Suchen von Dingen während des Rennens und somit auch Zeit. Caros Papa und Fotograf Frank waren für die Touristik-Fahrt am Sonntagmorgen angemeldet und trafen ebenfalls letzte Vorkehrungen an ihren Rändern. Sie hatten die Möglichkeit von 8-13 Uhr auf der Nordschleife ihre Runden zu drehen.

Nach dem Frühstück setzten wir uns noch einmal alle zusammen und besprachen die Taktik für die kommenden 24 Stunden. Wir hatten vor, solange die Beine noch frisch sind, am Tag jede Runde zu wechseln und in der Nacht zwei Runden am Stück zu fahren, um in Ruhe essen, duschen oder ausruhen zu können. Im Durchschnitt hatten wir mit 1.05 Stunden pro Runde gerechnet.

Dann war es so weit, noch schnell ein letztes Foto mit dem gesamten Team auf dem alle noch fit ausschauten – 12.45 Uhr, der Start zu unserem wirklich längsten Tag des Jahres stand bevor.  Da es Caro etwas mulmig war, in der großen Gruppe zu starten, begann ich das Rennen für unser Team. Meine Beine waren in dieser Runde noch sehr müde und ich hoffte, dass dies im Laufe der 24 Stunden noch besser werden würde. Nach einer knappen Stunde wechselte ich auf Caro und sie ging auf ihre erste Runde. Das Fahrerfeld hatte sich mittlerweile schon teilweise auseinandergezogen und Caro konnte etwas entspannter fahren. Dennoch mussten wir, gerade bei den Passagen bergab, vor den Kurven immer links und rechts schauen, ob von hinten nicht doch noch schnelle Fahrer angerast kamen.

Eine Runde auf der Nordschleife hat 26 km, gespickt mit schönen 530 Höhenmetern. Die „Hohe Acht“, mit bis zu 17% Steigung der steilste Anstieg der Runde, wurde gefühlt von Runde zu Runde steiler. Aber jede Runde war dennoch ein Erlebnis. Keine Runde war wie die andere. Die ersten drei Runden verliefen noch trocken, aber ab der 4. Runde setzte starker Regen ein. Unser Team versorgte uns im 30-Minuten-Takt mit Infos zum Regenradar und so entschieden wir uns, bereits nach vier Runden (deutlich vor Beginn der Dunkelheit) auf den Zwei-Runden-Rhythmus zu wechseln. Die Klamotten waren ohnehin schon triefend nass, warum also nicht die Strategie ändern?

Da das Team uns im Fahrerlager pro Runde dreimal sehen konnte, war auch die Verpflegung sichergestellt. Nach jeder Runde stand das Team an unserem „Wechselplatz“ auf der Zielgeraden der Rennstrecke, um uns neue Verpflegung und Radflaschen zu geben oder unsere Jacken abzunehmen. Wir konnten an dieser Stelle unsere Wünsche und Bedürfnisse äußern und bekamen am Ende des Fahrerlagers sowie vor Beginn der Nordschleife das, was benötigt wurde. Unser Team kochte uns Nudeln, brachte uns die Beleuchtung an und föhnte uns sogar die nassen Schuhe, Oberteile, Socken. Es ist Gold wert, ein solches Team hinter sich zu haben. Dieser geniale Support über die 24 Stunden war enorm wichtig für uns und half uns dabei, unserem Ziel Stück für Stück näher zu kommen. Wir brauchten uns um nichts zu kümmern und konnten uns somit ganz auf uns und unser Rennen konzentrieren.
Bei den Wechseln nahmen Caro und ich uns die Zeit, um wichtige Infos von der Strecke wie Bodenbeschaffenheit bei Regen, schwierige Passagen oder Wärme-  oder Kälteempfinden austauschen zu können.

Wechselszenario

Nach dem Wechsel spielte sich für denjenigen, der Pause machte, immer das gleiche Szenario ab: Zuerst raus aus der nassen Radkleidung und den Körper abtrocknen, dann lange, in der Nacht auch warme Kleidung an. Dann hieß es, die Kohlehydratspeicher wieder auffüllen. Hierfür nutzten wir alles was es gab, von Brot mit Wurst und Käse, über Nudeln mit Pesto, Obst, Salzbrezeln, Nüsse in jeglicher Form, Fruchtgummi bis hin zu klassischen Backerbsen in trockener Form, auch der ein oder andere Kaffee oder eine Cola mussten her.

Cycle GesäßschutzDamit wir auch in den nächsten Runden wieder bequem auf unseren Rädern sitzen konnten, wurden unsere wunden und scheuernden Stellen mit CycleGlide versorgt.
Gerade bei dem nassen Wetter fangen die Sitzpolster in den Radhosen teilweise noch schneller an zu scheuern. Da waren wir wirklich froh über jede Pause, in der wir auf diese Stellen CycleGlide auftragen und somit wieder gut geschützt in die nächsten Runden starten konnten. Zu guter Letzt versuchten wir etwas abzuschalten und dem Körper etwas Erholung zu bieten, sei es durch Schlaf oder einfach nur Ausruhen und Musik hören im Wohnmobil.

Als ich in die Nacht hinein fuhr, setzte ab ca. 21.30 Uhr mit der Dämmerung auch starker Nebel und Wind auf der Strecke ein. Ab diesem Zeitpunkt kamen unsere Lampen vorne sowie hinten am Rad zum Einsatz. Aufgrund der schlechten Sicht durch Regen und Nebel mussten wir unser Tempo, gerade in den Passagen bergab, etwas anpassen, um einen Sturz zu vermeiden.

Wir versuchten immer jemanden vor oder hinter uns zu haben, um die Strecke etwas mehr auszuleuchten, da unsere Lampen nicht für Fahrten in so dichtem Nebel geeignet waren. Kritische Stellen, wie die Fuchsröhre oder Breidscheid wurden durch die freiwilligen Helfer des THW mit Flutlichtstrahlern optimal ausgeleuchtet. Hier hatten wir bei den verschiedenen Witterungen nie ein Gefühl der Unsicherheit. Von Runde zu Runde wurden wir bei den Abfahrten sicherer, da wir den Streckenverlauf verinnerlichten, so konnte ich z.B. die Fuchsröhre mit knapp 90 KM/H und Caro mit knapp 80 KM/H runter „brettern“ – Geil!

Um 23 Uhr wechselte ich auf Caro, die kurz zuvor ein Powernap von 15 Minuten machte und somit gestärkt in die nächsten zwei Runden ging. Sie wurde recht schnell von einem erneuten Regenschauer überrascht, konnte aber ein Stückchen mit unserem Nachbarn mitfahren, der sie mit einem Gespräch etwas ablenkte. Auch wenn wir in der Vorbereitung oft in der Nacht gefahren waren, so wurde es durch die zunehmende Nässe und den Nebel schwierig, sich zu orientieren. Caro versuchte es, indem sie sich weitgehend rechts an den Seitenstreifen aufhielt. Diesen Tipp gab sie mir beim nächsten Wechsel auch mit auf den Weg. Auch, dass ich auf Salamander und Kröten achten sollte, die sich bei Nässe den Weg über die Straße suchten oder teilweise auch schon platt gefahren auf der Straße lagen.

Um 1.11 Uhr war ich wieder an der Reihe, hier machten sich nun die Trainingsfahrten in der Nacht positiv bemerkbar. Auch wenn der Nebel und die Nässe uns zusetzte, so schafften wir es weitestgehend konstant durch die Nacht zu kommen, ohne das Gefühl zu haben einzubrechen. Unser Team informierte uns über die aktuellen Platzierungen und so schafften wir es, in der Nacht ganze 12 Plätze nach vorne zu fahren. Wir waren super in der Zeit und sicher, dass wir unser Ziel von 20 Runden schaffen würden.

Gegen 3.30 Uhr ging es für Caro auf die nächsten zwei Runden. Mittlerweile hatte der Regen nachgelassen, allerdings sorgten Nebel und die nasse Strecke auch bei diesen Runden erneut für nasse Radkleidung. Unser Team schlief in Etappen, sodass immer 2-3 Mann nach einer Runde an unserem gewohnten Platz standen, um uns zu verpflegen oder einfach gut zuzureden.

22 Runden im Gepäck

Beim nächsten Wechsel um 5.40 Uhr wurde es bereits hell, aber wir entschieden uns, den gewohnten Zwei-Runden-Rhythmus beizubehalten. Dieser hatte sich für uns in den letzten Stunden bewährt, unsere Körper und vor allem die Beine kamen damit sehr gut zurecht. Caro hatte mit dem mittlerweile wieder zunehmenden Regen (es schüttete wie aus Kübeln) etwas Probleme und konnte zu dem bereits geplanten Wechsel nicht aufs Rad. In meinem Kopf liebäugelte ich aber bereits mit 22 Runden, also entschied ich mich weiterzufahren und noch eine dritte Runde dranzuhängen – in der Hoffnung, Caro würde nach dieser Runde wieder aufs Rad steigen. Das Hungergefühl wurde stärker und irgendwann reichten Gels und Riegel nicht mehr aus. Das Verlangen auf feste Nahrung wie Nudeln, Brot, o.Ä. stieg in der dritten Runde noch mehr. Wir waren aktuell bei 19 Runden und ich war froh, als ich Caro bei dieser Runde an unserem gewohnten Treffpunkt in Radklamotten und mit ihrem Rad stehen sah. Der Regen hatte inzwischen etwas aufgehört, trotzdem war sie nach einigen Minuten wieder durchnässt. Im Kopf gingen wir die verbleibende Zeit durch und für uns war klar, dass wir 22 Runden schaffen können. Caro fuhr diese Runde gemeinsam mit ihrem Vater und unser Fotograf entschied sich kurzer Hand auch noch auf die Strecke zu gehen.

Ich machte mich um kurz vor 10 auf meine letzte Runde alleine und um 11.10 Uhr mit Caro gemeinsam auf unsere Schlussrunde. Der Regen prasselte wie Nadelstiche auf unsere Haut, die Beine waren jetzt richtig müde und so versuchten wir einfach nur noch über diese Runde zu kommen. Caro war noch etwas fitter als ich und ich hatte an den Anstiegen Probleme dranzubleiben. Wir ließen in dieser Runde das Rennen Revue passieren (auch um uns etwas abzulenken) und ich schlug Caro vor, was wir beim nächsten Mal besser machen könnten – sie schaute mich nur mit großen Augen an: nächstes Mal ???

Es war schön zu sehen, dass einige Teams die gleiche Idee hatten und die letzte Runde dieses ganz besonderen Events gemeinsam absolvierten. Das letzte Mal die „Hohe Acht“ nach oben, noch 1-2 Abfahrten und schon waren wir auf der Zielgeraden angekommen, dort standen andere Teamfahrer Spalier – was für ein Gänsehautmoment! Auf den letzten Metern war der ganze Regen, die Nässe und das miese Wetter einfach nur vergessen, das Zieltor und den Mann mit der Zielflagge vor uns, fuhren wir nach 23.31 Stunden reiner Fahrtzeit, mit 22 Runden im Gepäck, als 9. Mixed-Team und mit Freudentränen in den Augen über die Ziellinie!

Unser gesamtes Team stand im strömenden Regen und wartete auf uns direkt hinter der Ziellinie. Das war eine geschlossene Teamleistung über diese 24 Stunden. Ein unbeschreibliches und unvergessliches Event, was auch dem Wetter geschuldet ist und ohne so ein starkes Team im Rücken nicht möglich gewesen wäre! Ebenso wäre dies nicht ohne unsere Trainerin Celia Kuch möglich gewesen. Sie hat sich (ebenso wie wir) mit der akribischen Vorbereitung auch auf Neuland begeben, wusste nicht, wie und ob das ganze Radtraining mit dem Triathlontraining vereinbar ist und wie es überhaupt anschlägt. Dem Ergebnis zur Folge können wir heute sagen, dass sich jede Einheit der Vorbereitung gelohnt hat und wir zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hatten, nicht ausreichend darauf vorbereitet gewesen zu sein. Ein riesen Dank an dich, unsere Support-Crew und unsere Unterstützer von Herzen!

Simon und Caro